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Adelheid Duvanel

Das open art museum, St.Gallen widmet der Basler Schriftstellerin und Künstlerin Adelheid Duvanel (1936–1996) vom 9. November 2025 bis 18. Oktober 2026 eine umfassende Ausstellung mit Zeichnungen und Gemälden. Während ihre feinen, lakonischen Textminiaturen längst zu den eigenständigsten Stimmen der Schweizer Literatur zählen, ist ihr bildkünstlerisches Werk bis heute nur wenig gewürdigt.

 

Adelheid Duvanel

 

Adelheid Duvanel (1936–1996), geborene Feigenwinter, wächst in Pratteln (BL) in einem autoritär-katholisch geprägten Elternhaus auf. Früh zeigt Duvanel eine hohe künstlerische Begabung und wird als Wunderkind gefördert. Sie schreibt Geschichten und Theaterstücke, zeichnet und malt. 1950 verbringt sie ein Jahr im katholischen Mädcheninternat am Neuenburgersee. Noch während ihrer Abwesenheit zieht die Familie um ins Basler Quartier Rotacker.

1953 wird Duvanel nach einem Suizidversuch in die Psychiatrische Universitätsklinik Basel (heute Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel UPK) eingewiesen. Nach ihrer Entlassung besucht sie die Kunstgewerbeschule, beginnt Ausbildungen zur Werbe-grafikerin und als Textilzeichnerin, die sie nicht fortführt.

Aus den 1950er-Jahren datieren Skizzen, Karikaturen und Porträts von Menschen aus ihrer Umgebung. Ihr Strich wird im Laufe der Jahre freier, die Motive ändern sich. 1965 entsteht eine Gruppe von Bleistiftzeichnungen auf A4, in der sie Armutsbetroffene, fragile Frauenfiguren und wiederholt Flüchtlingskinder skizziert. Sie zeichnet sie mit übergrossen, traurig-leeren Augen. Mit wenigen Strichen kreiert sie Figuren, die über ein blosses Abbild hinausgehen. Die Bildnisse dieser Periode erzählen ungeschönt und einfühlsam zugleich vom Anderssein, von Einsamkeit Ausgrenzung. Sie gleichen den Protagonist*innen ihrer Erzählungen.

 

1950er bis 1960er Jahre: Malen in Text und Bild

 

Adelheid Duvanels Versuch an der Kunstakademie zu studieren, scheitert. In der Erzählung Ein ganz gewöhnlicher Waschtag verarbeitet sie die Situation: «[…] Da sich also mein Charakter nicht dazu eignet, ein Porträt mit Farben darzustellen, habe ich es mir angewöhnt, mit Worten zu malen.» (in: Basler Nachrichten, 26.7.1965).

Duvanel wendet sich nun intensiver dem Schreiben zu und veröffentlicht in Zeitungen unter den Namen Adelheid Feigenwinter, Judith Januar und Martina. Sie verkehrt im Café Atlantis, das als Treffpunkt der Existentialisten gilt, liest Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir und verkauft an einer Kunstausstellung in Liestal ihr erstes Bild.

Ab Mitte der 1950er bis Anfang der 1960er Jahre treten vermehrt surrealistische Elemente in ihren Bildern auf. Duvanel zeichnet die Figuren mit einer Linie. Diese bewegen sich in traumartigen Szenerien und sind von rätselhaft Objekten umgeben. Die Bild-Handlungen sind geheimnisvoll und hinterlassen das Gefühl einer diffusen Beunruhigung. Neben Bleistift und Kugelschreiber nutzt sie jetzt Techniken wie Öl, Gouache, Kreide; teils ritzt sie mit dem Pinselstiel Linien in den Malgrund. Sie malt Porträts und Selbstporträts. Der Mensch bleibt ihr Hauptmotiv.

 

1960er bis 1970er Jahre: Erzwungener bildkünstlerischer Stillstand

 

1962 heiratet Adelheid Feigenwinter den Kunstmaler Josef (Joe) Duvanel. Ihre gemeinsame Wohnung wird zum Treffpunkt der Basler Bohème. Sie nimmt Drogen und trinkt, bleibt ansonsten aber am Rand des Geschehens. 1964 wird die Tochter Adelheid geboren. Joe, der als sanft und gefühlvoll gilt, entwickelt in der Ehe despotische Züge. Er duldet nicht, dass seine Frau malt oder zeichnet und vernichtet rund hundert ihrer Werke, wie sie später ihrer Brief- und Schriftstellerfreundin Maja Beutler anvertraut.

1968 wandert die Familie nach Formentera aus und kehrt ein Jahr später nach Basel zurück. Joe Duvanel beginnt eine Beziehung mit Lilianne Balloux, die 1969 einen Sohn von ihm bekommt. Zeitweise wohnen alle unter einem Dach. Das Familienleben ist konfliktreich und geprägt von emotionalen Abhängigkeiten. Um den Lebensunterhalt zu sichern, arbeitet Adelheid Duvanel im Büro.

Weiterhin erscheinen Veröffentlichungen in den Basler Nachrichten, in diversen Anthologien, Zeitschriften und seit 1976 in drei Erzählbänden. 1978 beginnen sich in Duvanels Leben mehrere Umbrüche abzuzeichnen. Der ehemalige Leiter des Luchterhand Verlags, Otto F. Walter, empfiehlt sie im Sommer 1979 dem Verlag. Damit nimmt ihre literarische Laufbahn ihren Anfang. Bis zu ihrem Tod erscheinen ihre Erzählungen in neun Publikationen. Sie erhält mehrere Auszeichnungen, darunter 1987 den Literaturpreis der Stadt Basel.

 

1980er Jahre: «Und ich zeichne und zeichne und zeichne»

 

Die achtziger Jahre werden inhaltlich zur Hauptphase des bildnerischen Schaffens von Adelheid Duvanel. Nach zwanzigjähriger, erzwungener Pause, beginnt sie im geschützten Rahmen der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel (heute: UPK) wieder zu zeichnen. Diverse familiäre Krisen, das Zusammenleben mit der Parallelfamilie ihres Mannes, die fortschreitende Drogenabhängigkeit der Tochter und das damit einhergehende Zerwürfnis zwischen Vater und Tochter, führen bei Adelheid Duvanel zu einem Zusammenbruch. Sie wird in die heutige UPK eingewiesen und sucht die Klinik in den kommenden Jahren wiederholt als Schutzraum auf. 1982 wird die Ehe geschieden, doch die Loslösung fällt ihr bis zu Joe Duvanels Selbstmord vier Jahre später und darüber hinaus schwer. In dieser Zeit entstehen ihre expressiven Filzstiftzeichnungen, zuerst in der Klinik und weiter bis in die 1990er Jahre. Im November 1983 schreibt sie an Maja Beutler: «Und ich zeichne und zeichne und zeichne.»

Die Werke aus dieser Zeit weisen eine intensive, leuchtend-bunte Farbgebung auf, eine starke figürliche Vereinfachung, ornamentale Elemente und Bildthemen, die sich zwischen Traum und Wirklichkeit bewegen. Die Arbeiten kreisen um die Themen Gewalt, Einsamkeit, Depression, Angst, Sucht und Verlust. Mit ihren überlangen Gliedern, aufgerissenen Augen und Mündern drücken die Figuren grosse Bedrängnis und seelische Not aus. Filzstiftzeichnungen erzählen in berührenden Bildern von einem tief empfundenen Wunsch nach Geborgenheit. Schon in ihren frühen Arbeiten greift Duvanel das symbolisch aufgeladene Bildthema Mutter und Kind auf. Im Vergleich mit früheren Blättern fällt in den achtziger Jahren die besonders innige Verbindung von Frau und Kind auf. Die Körper der Frauen legen sich eng um diejenigen der Kinder. Der Aspekt des Beschützens tritt in den Vordergrund. Vielfach erscheinen Mutter und Kind umgeben von einer Art ornamentalem Schutzwall mit nach aussen gerichteten Zacken. Doch selbst in diesen Raum sind die Dämonen bereits eingedrungen. Duvanels Tochter gerät tiefer ins Drogenmilieu und wird aidskrank. Die Künstlerin ist selbst tabletten- und alkoholabhängig, konsumiert Kokain, um den Alltag zu bewältigen, wie sie schreibt. Sie lebt in Armut, unterstützt und pflegt die Tochter, nimmt sie und ihre Enkelin Blanca Adela immer wieder als Schutz bei sich auf und nimmt die Enkelin sogar mit in die Klinik. 1990 entsteht in der Psychiatrie noch einmal eine Serie von elf grösseren Gemälden. Sie weisen in der Farbigkeit und der Verwendung von Ornamenten Parallelen zu den Filzstiftzeichnungen auf, strahlen jedoch im Vergleich mit diesen eine grosse Ruhe aus.

Tragisch wie ihr Leben, ist auch ihr Tod. Adelheid Duvanel erfriert 1996 in einer sehr kalten Julinacht in einem Wald bei Liestal.

Schwarz / Weiss Portrait von Adelheid Duvanel mit Zigarette in der Hand
Adelheid Duvanel im Café Atlantis, um 1960 © Norma Hodel