Leichte Sprache
Art Brut

Das open art museum St.Gallen zeigt Kunst, die nur schwer greifbar ist. Das Museum sammelt, bewahrt und vermittelt schweizerische «Naive Kunst», «Art Brut» und «Outsider Art» zeitgenössischer und verstorbener Künstler*innen. Die im Museum vertretenen Künstler*innen sind Laien und Autodidakt*innen ohne akademische künstlerische Ausbildung. Pro Jahr werden mindestens drei Wechselausstellungen und eine Sammlungsausstellung gezeigt.

 

Was ist «Art Brut»?

 

Schon früh interessieren sich einzelne Visionäre für ein Kunstschaffen jenseits der Akademien und des Kunstmarktes. So entstehen um 1900 an verschiedenen psychiatrischen Kliniken Sammlungen mit Werken von Patient*innen (siehe Sammlung Morgenthaler an der Waldau bei Bern).

Diese «Bildnerei der Geisteskranken» (Hans Prinzhorn, 1922) oder später «zustandsgebundene Kunst» (Leo Navratil, 1950er-/1960er-Jahre) findet insbesondere in Kreisen der künstlerischen Avantgarde grossen Anklang.

So hat sie auch einen grossen Einfluss auf Jean Dubuffet (1901–1985). Er prägt für diese Kunst 1945 den Begriff «art brut» als Gegenentwurf zur «art culturel». Jean Dubuffet versteht darunter das kulturell unberührte, «unverbildete» Gestalten ausserhalb einer künstlerischen Tradition mit der Kraft eines «Rohdiamanten».

 

«Art Brut» im weiteren Verständnis

 

Jean Dubuffets Begriff «Art Brut» umfasst nicht nur Werke von Menschen mit psychischen Erkrankungen, sondern auch die kreative Ausdrucksweise von Menschen am Rand der Gesellschaft: autodidaktisch Schaffende, soziale Aussenseiter*innen, Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen oder solche, die aus innerem Drang heraus künstlerisch tätig sind – unabhängig von Kunsttheorien oder einem Publikum.

«Art Brut» ist dabei keine Stilrichtung im klassischen Sinne, sondern eine Haltung: Sie steht für Unmittelbarkeit, Authentizität und den künstlerischen Ausdruck jenseits normativer Erwartungen. Die Werke entziehen sich oft einer eindeutigen Interpretation, sind aber gerade deshalb von grosser Intensität und Ausdruckskraft.

Diese Kunst fordert den etablierten Kunstbegriff heraus, nicht zuletzt, weil sie zeigt, dass Kreativität und künstlerische Kraft nicht an akademische Ausbildung oder gesellschaftliche Anerkennung gebunden sind.

 

Beispielhafte Künstler*innen der «Art Brut»

 

Einige der bekanntesten Vertreterinnen der «Art Brut» wurden oft erst posthum entdeckt oder abseits des etablierten Kunstbetriebs gewürdigt:

  • Adolf Wölfli (1864–1930), Schweiz: Einer der frühesten und bedeutendsten Vertreter der «Art Brut». Der an Schizophrenie leidende Wölfli schuf in der psychiatrischen Klinik Waldau bei Bern ein monumentales Werk aus Zeichnungen, Collagen und Texten. Jean Dubuffet bewunderte ihn zutiefst.
  • Aloïse Corbaz (1886–1964), Schweiz: Ihre farbintensiven, visionären Werke zeichnen sich durch ein komplexes, romantisches Bilduniversum aus. Sie zählt zu den prägenden weiblichen Stimmen der «Art Brut».
  • Augustin Lesage (1876–1954), Frankreich: Ein Bergarbeiter, der behauptete, seine Werke seien von Geisterstimmen inspiriert. Er schuf symmetrische, mandalaartige Gemälde mit erstaunlicher Präzision.
  • Henry Darger (1892–1973), USA: Ein zurückgezogen lebender Hausmeister, der ein 15’000-seitiges Epos mit hunderten Illustrationen schuf. Sein Werk wurde erst nach seinem Tod entdeckt und gilt heute als Meilenstein der «Outsider Art».

 

Der Film von Ahmad Al Rayyan und Mirjam Kradolfer (2021) gibt kurz und kunstvoll Einblicke in die «Art Brut».