Das open art museum St.Gallen zeigt Kunst, die nur schwer greifbar ist. Das Museum sammelt, bewahrt und vermittelt schweizerische «Naive Kunst», «Art Brut» und «Outsider Art» zeitgenössischer und verstorbener Künstler*innen. Die im Museum vertretenen Künstler*innen sind Laien und Autodidakt*innen ohne akademische künstlerische Ausbildung. Pro Jahr werden mindestens drei Wechselausstellungen und eine Sammlungsausstellung gezeigt.
Was ist «Naive Kunst»?
Alle genannten Begriffe «Art Brut», «Outsider Art», «Naive Kunst» lassen sich jedoch nicht eindeutig voneinander abgrenzen. An vielen Punkten gibt es Überschneidungen und einzelne Künstler*innen lassen sich mehreren Bereichen zuordnen. Es liegt gerade im Wesen dieser Kunstform, dass die Kunstschaffenden sich nicht um Konventionen kümmern und sich und ihre Kunst selber nicht einordnen. Wie «Art Brut» oder «Outsider Art» umschreibt «Naive Kunst» keinen Stil, sondern eine innere Haltung der autodidaktischen Künstler*innen zu ihrer Umwelt. Mit bedeutenden Vertreter*innen wie den Schweizer Adolf Dietrich (1877–1957) und Henri Rousseau (1844–1910) wird die «Naive Kunst» schon Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts von berühmten Künstlern wie Picasso gefeiert. Die sogenannte «Naive Kunst» erlangte grössere Bekanntheit mit einer umfangreichen Wanderausstellung 1937 unter dem Titel Maîtres populaires de la réalités (dt. Die populären Meister der Realität).
«Naive Kunst» im weiteren Verständnis
«Naive Kunst» (auch: naiver Stil oder naive Malerei) steht ausserhalb des akademischen Kunstbetriebs, wird aber seit dem 20. Jahrhundert in vielen Museen und Sammlungen anerkannt. Der Begriff steht in Konkurrenz zu Begriffen wie «Art Brut», «Outsider Art» und Zustandsgebundene Kunst, die sich – wenn auch aus jeweils etwas anderer Perspektive – ebenfalls auf Bildwerke von Autodidakten beziehen. Bei der Bezeichnung «Naive Kunst» liegt der Akzent stärker auf der Darstellungsweise, auf formalen und thematischen Gesichtspunkten, während bei den drei anderen Begriffen die soziale Stellung der Künstler*innen oder ihr geistiger Zustand ausschlaggebend sind. Eine klare Abgrenzung der genannten Begriffe ist aber kaum möglich; die meisten Bilder von Autodidakt*innen lassen sich mehreren dieser Kategorien zuordnen. In den letzten Jahren entwickelte sich ein zunehmend kritischer Blick auf die unterschiedlichen, häufig diskriminierenden Begrifflichkeiten und die Trennung von nicht-akademischer und akademischer Kunst.
Beispielhafte Künstler*innen
- Henri Rousseau (1844–1910), Frankreich: War Zollbeamter und malte in seiner Freizeit exotische Fantasielandschaften mit Löwen, Dschungel und Traumwesen – obwohl er nie das Land verlassen hatte.
- Nikifor (1895–1968), Polen: Ein zurückgezogen lebender Künstler, der mit einfachsten Mitteln tausende Bilder des städtischen und ländlichen Lebens schuf – trotz sprachlicher und sozialer Ausgrenzung.
- Séraphine Louis (1864–1942), Frankreich: Eine autodidaktische Malerin und ehemalige Putzfrau, die in tiefer religiöser Inspiration leuchtende, pflanzenähnliche Fantasiebilder schuf.
- Anna Mary Robertson Moses (1860–1961), USA: Begann erst mit über 70 Jahren zu malen und wurde mit ihren nostalgischen Landschaften des ländlichen Amerika zu einer Ikone der amerikanischen Volkskunst.